Amazon steigt in großem Stil in den stationären Lebensmittelhandel in den USA ein. Der weltgrößte Onlinehändler übernimmt die Biokette Whole Foods Market für rund 13,7 Milliarden Dollar. Es ist der mit Abstand größte Zukauf in der Unternehmensgeschichte vor dem Kauf der auf das Streaming von Videospielen spezialisierten Plattform Twitch für rund eine Milliarde Dollar.

In dem Kaufpreis für Whole Foods sind auch die Schulden des Lebensmittelhändlers enthalten, wie Amazon mitteilte. Die Firma hatte sie zuletzt auf rund 3,1 Milliarden Dollar beziffert. Die 42 Dollar pro Aktie in bar sind ein Aufschlag auf den Schlusskurs von gut 33 Dollar am Donnerstag. Whole Food Markets werde weiter Läden betreiben, heißt es von Amazon. Ein Abschluss der Transaktion werde in der zweiten Jahreshälfte erwartet. Der prägende Mitgründer und Chef John Mackey soll auch unter dem Dach von Amazon an der Spitze der Kette bleiben. Die Läden sollen unter der bisherigen Marke weiterarbeiten.

Der Finanzinvestor Jana Partners war zuletzt unzufrieden mit der Geschäftsentwicklung bei Whole Foods und hatte die Firma zu einem Verkauf gedrängt. Whole Foods hatte im vergangenen Quartal den Umsatz lediglich um ein Prozent auf knapp 3,74 Milliarden Dollar gesteigert, der Gewinn sank im Jahresvergleich von 142 auf 99 Millionen Dollar. In den USA werden gut 97 Prozent der Erlöse erwirtschaftet.

Whole Foods Market betreibt nach jüngsten Zahlen aus dem Frühjahr 461 Lebensmittelsupermärkte. Davon entfällt ein Großteil mit 440 Geschäften auf die USA, weitere 12 in Kanada und 9 in Großbritannien. Die 1978 gegründete Firma ist auf hochwertige – und entsprechend teure – Lebensmittel spezialisiert. Die Kette erwirtschaftete nach eigenen Angaben 2016 einen Umsatz von rund 15,7 Milliarden Dollar.

Amazon hatte in den vergangenen Jahren stationäre Händler stark unter Druck gesetzt. Der Konzern zeigte zuletzt aber immer mehr Interesse, selbst in deren Geschäft einzusteigen. So eröffnete Amazon mehrere Buchläden und treibt auch Pläne für Hightechsupermärkte voran, die von wenigen Mitarbeitern betrieben werden können. Der Konzern expandiert seit einiger Zeit ebenfalls im Handel mit frischen Lebensmitteln. In einem Modellversuch bietet Amazon diese bereits in Deutschland an. Amazon-Prime-Kunden in Berlin und Potsdam können ihre Einkäufe über den Onlinehändler erledigen.

In einer Gegenbewegung baute der amerikanische Supermarktkonzern Wal-Mart immer stärker sein Onlinegeschäft aus – und kaufte am Freitag den Modehändler Bonobos für 310 Millionen Dollar. Mit den beiden Zukäufen heben die Konkurrenten ihre Rivalität auf eine neue Ebene. Amazon bekommt mit dem Zukauf stationäre Ladenlokale in guter Lage in 42 US-Bundesstaaten und könnte damit unter anderem Warenlieferungen beschleunigen und die Kundenbindung verbessern.

Die Ankündigungen zeigten an der Börse deutliche Wirkung, die Anleger hatten eine klare Meinung dazu, wem sie die besseren Chancen zutrauen: Die Aktie von Wal-Mart verlor im frühen US-Handel zeitweise über 6 Prozent und der Kurs des Konkurrenten Kroger sackte sogar um fast 14 Prozent ab. Für das Amazon-Papier ging es dagegen mehr als drei Prozent aufwärts. Auch international gaben die Papiere etwa der Konzerne Ahold, Carrefour, Sainsbury und der deutschen Metro nach.